AMS wird 25-jährig: Interview mit Christian Hofer

In einer Serie von mehreren Artikeln nehmen prägende Persönlichkeiten der Schweizer Land- und Ernährungswirtschaft zur Bedeutung von AMS Agro-Marketing Schweiz Stellung, 25 Jahre nach deren Gründung. Wir setzen die Serie mit Christian Hofer, Direktor des Bundesamtes für Landwirtschaft, fort. 

Das Bundesamt für Landwirtschaft BLW setzt sich dafür ein, dass die Landwirtschaft durch eine nachhaltige Produktion massgeblich zur Ernährungssicherheit in der Schweiz beiträgt. Es berücksichtigt dabei die verschiedenen Interessen, entwickelt die rechtlichen Grundlagen für eine zukunftsorientierte und wirksame Agrarpolitik und setzt diese effizient um. 

«AMS hat sich über die Jahre zu einer professionellen Marketingorganisation entwickelt.» 

Christian Hofer aus Bannwil im bernischen Oberaargau leitet seit 2019 das Bundesamt für Landwirtschaft. Von 2009 bis 2017 war er Vizedirektor des Bundesamtes für Landwirtschaft, bevor er zwei Jahre lang das Amt für  Landwirtschaft und Natur des Kantons Bern leitete. Er ist auf dem Bauernhof seiner Familie aufgewachsen und verfügt über einen Abschluss als Agraringenieur der ETH Zürich, ein Lehrpatent und einen MBA der Berner Fachhochschule. Seine berufliche Laufbahn führte ihn auch über Profi-Lait, die Arbeitsgemeinschaft zur Förderung des Futterbaus (AGFF) und das schwedische Unternehmen DeLaval in Sursee (LU), das auf Melk- und Stallanlagen spezialisiert ist. 

«Meine Rolle besteht darin, Brücken des Dialogs zwischen den Landwirtinnen und Landwirten, der Land- und Ernährungswirtschaft, der Branche, der Bevölkerung und uns, der Verwaltung, zu bauen, um der Landwirtschaft die besten Rahmenbedingungen für eine nachhaltige und innovative Agrarpolitik, eine Agrarpolitik der Zukunft, anbieten zu können.»

Christian Hofer Christian Hofer

Christian Hofer

Was beschäftigt Sie zurzeit am meisten?

Lassen Sie mich erst einmal Agro-Marketing Suisse zu ihrem 25-Jahre-Jubiläum gratulieren. AMS hat sich über die Jahre zu einer professionellen Marketingorganisation entwickelt, die nahe bei den Konsumentinnen und Konsumenten ist und ihre Bedürfnisse versteht und ernst nimmt. Meine herzlichen Glückwünsche zum Jubiläum und zur guten Arbeit.  

Was mich zurzeit am meisten beschäftigt? Wenn Sie mich so fragen, so ist es im Moment der Krieg in der Ukraine und das Schicksal der 44 Millionen Menschen, die dort in Angst und Schrecken leben, und der über zwei Millionen Menschen und Familien, die nun auf der Flucht sind. Dieser Krieg zeigt, wie schnell sich Sicherheit in Ohnmacht verwandeln kann, und relativiert viele Probleme, die wir mit uns herumtragen. 

Beruflich sind es zurzeit die agrarpolitischen Prozesse. Da stehen momentan der Postulatsbericht zur längerfristigen Ausrichtung der Agrarpolitik und die Umsetzung Parlamentarische Initiative 19.475 im Fokus. Bei der Parlamentarischen Initiative geht es darum, das Risiko beim Einsatz von Pestiziden zu reduzieren. Der Bundesrat wird den Bericht voraussichtlich im Sommer dieses Jahres verabschieden. 

Was sind zurzeit die drei grössten Herausforderungen der Schweizer Land- und Ernährungswirtschaft? 

Das ist klar unsere Aufgabe, den verschiedenen Ansprüchen der Gesellschaft und der Landwirtschaft gerecht zu werden und den unterschiedlichen Auffassungen, wie unsere Produktion aussehen müsste. Unterschiedliche Ansichten gibt es beim Thema «Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit» mit folgenden Fragen: Wie hoch darf der Aufwand für eine naturnahe Produktion sein? Wie soll dieser Aufwand abgegolten werden? Und natürlich: Was sind faire Preise für landwirtschaftliche Produkte? Ich möchte aber nicht nur die Unterschiede betonen. Es gibt auch eindrückliche Gemeinsamkeiten. Bemerkenswert ist, dass die Erwartungen der Landwirtschaft und die der Gesellschaft in vielen Bereichen deckungsgleich sind. Beide, die Landwirtschaft und die Gesellschaft, wollen gesunde, qualitativ hochwertige Lebensmittel. 

Auf der technischen Ebene geht es um die Digitalisierung auf allen Stufen des Betriebs (Management, Maschinen, Vermarktung etc.). Die Digitalisierung ist mit grossem Aufwand verbunden. Sie bietet aber auch Chancen für den ganzen Sektor, z.B. in der Direktvermarktung.  

Die Klimaveränderung gehört heute schon zu den ganz grossen Herausforderungen. In der Zukunft wird die Dringlichkeit für Anpassungen deutlich zunehmen. Die Frage ist: Wie geht die Landwirtschaft mit Extremereignissen um? Wie können wir unsere Systeme so gestalten, dass wir auch in Zukunft robuste Sorten haben und robuste Tiere, die mit dem zusätzlichen Stress, der auf sie zukommt, fertig werden? 

Was sind Ihrer Meinung nach die drei grossen Errungenschaften von AMS? 

AMS hat in den 25 Jahren ihres Bestehens vieles bewegt. Ich möchte aber drei Errungenschaften besonders hervorheben: 

  • AMS als Impulsgeber 
    AMS vereinigt alle wesentlichen und interessierten Akteure in der Land- und Ernährungswirtschaft und verbindet sie mit ihrer Vision. Diese besteht darin, Millionen von Menschen in der Schweiz für die Einzigartigkeit von landwirtschaftlichen Erzeugnissen zu begeistern. Die Anerkennung für unsere einheimischen Produkte und die damit zusammenhängende Wertanmutung wirken sich positiv auf das Einkommen unserer Bauern aus.  
  • Eine starke Marke Suisse Garantie
    Aus eigener beruflicher Erfahrung und als Konsument weiss ich, wie wichtig starke Marken sind, um Bekanntheit und Vertrauen zu schaffen. Allerdings gelingt es nur wenigen Marken, im Markt wirklich Bedeutung zu erlangen. AMS ist es gelungen, eine Qualitätsmarke zu schaffen, die sich im Markt durchgesetzt hat und von den Konsumentinnen und Konsumenten erkannt und genutzt wird. Suisse Garantie hat eine hohe Glaubwürdigkeit bei den Produzenten, den Verarbeitern und im Handel. Zudem sagen gemäss Demoskop 72% der Befragten, dass sie beim Einkauf auf Suisse Garantie achten. Das ist bemerkenswert. 
  • Präsenz bei Messen im In- und Ausland 
    Eine weitere Errungenschaft ist die Präsenz von AMS an Messen und Ausstellungen im In- und Ausland. Mit dieser Präsenz ist die Schweizer Land- und Ernährungswirtschaft nahe bei den Konsumentinnen und Konsumenten. Das Messeteam der AMS realisiert professionelle Stände an den grössten Publikumsmessen in der Schweiz, aber auch an internationalen Messen, zum Beispiel in Berlin, an der grössten Agrarmesse im internationalen Kontext. Ich war vor 2 Jahren in Berlin. Die Schweizer Landwirtschaft war dort mit einem wunderbaren Pavillon vertreten. Das war ein professionelles Schaufenster, nicht nur für die Schweizer Land- und Ernährungswirtschaft, sondern für die ganze Schweiz. 

In welche Richtung könnte sich / sollte sich AMS entwickeln?

Die Produkte der Schweizer Land- und Ernährungswirtschaft stehen im Wettbewerb mit ausländischen Lebensmitteln. Im Ausland werden grosse Anstrengungen unternommen, die Produktion nachhaltiger zu machen und die Qualität zu steigern. Die Schweiz bleibt hier nicht stehen. Die Branchen arbeiten zurzeit an der Weiterentwicklung der Produktionsstandards. Die Milch ist mit dem grünen Teppich vorangegangen. AMS kann diese Entwicklung unterstützen und fördern, indem sie diese Mehrwerte als Differenzierungsmerkmale bekannt macht und kommuniziert – im Rahmen der inneren Werte des Suisse Garantie-Auftritts zum Beispiel, vielleicht sogar auf den Produkten. AMS kann aber auch bei der Weiterentwicklung der Mehrwerte und der Produktionsstandards in den einzelnen Branchen eine wichtige Rolle spielen.